Es gibt Tage, da frage ich mich ernsthaft, ob ich lieber ein Buch über eine einsame Hütte im Wald schreiben oder selbst darin wohnen möchte – ohne WLAN. So sehr ich es liebe, Geschichten zu erzählen, so sehr kann mich der tägliche Spagat zwischen Romanwelt und Instagram-Realität aus dem Gleichgewicht bringen.
Denn sind wir mal ehrlich: Soziale Medien sind ein Segen. Und ein Fluch.
Der Segen: Sichtbarkeit, Reichweite, Verbindung
Früher musste man hoffen, dass ein Verlag das Buch in die Schaufenster stellte oder ein Literaturblog zufällig darüber stolperte. Zugegeben: Das war zu einer Zeit,
in der ich auch noch nicht veröffentlicht habe, aber ich war wenigstens knapp dahinter.
Heute? Reicht theoretisch ein einziger Post, um tausende Augenpaare auf dein Buch zu lenken. - Sofern du genug Follower hast!
Du kannst als Autorin sichtbar werden – authentisch, nahbar, kreativ. Leser:innen schreiben dir direkt, teilen ihre Lieblingszitate, machen
Selfies mit deinem Buch. Das ist zauberhaft. Und ehrlich gesagt: Es pusht auch das Ego ein kleines bisschen.
Man kann schreiben, posten, diskutieren – und plötzlich entsteht eine Community. Das ist großartig.
Aber … (ja, es kommt ein „aber“).
Der Fluch: Der Algorithmus kennt kein Mitleid
Soziale Medien fordern ständige Präsenz. Einen Tag Pause und der Algorithmus schaut dich an wie ein enttäuschter Lektor: „Schon
wieder keine Deadline eingehalten?“
Du schreibst gerade an einer emotionalen Schlüsselszene – aber Moment: War da nicht noch ein Reel geplant?
Und wenn du denkst, du hast mit einem Cover-Post alles richtig gemacht, kommt genau gar nichts zurück. Kein Like. Kein Kommentar. Nur du und dein Frust.
Hinzu kommt: Du wirst vergleichbar. Mit anderen Autor:innen, mit deren Leben, die immer perfekt beleuchtet, durchgestylt und gefiltert wirken - und dann auch noch im Alter meiner Kinder sind. Und während du verzweifelt und ewig lang mit dem perfekten Capcut-Schnitt beschäftigt bist, posten andere mühelos Videos, in denen sie zehn Tipps für erfolgreiche Schreibkarrieren herunterrattern – mit schöner Kulisse, inspirierendem Voiceover und makellosem Lippenstift.
Die Balance ist das Ziel
Was also tun? Abschalten? Dauernd online sein?
Ich glaube, es geht – wie so oft – um die richtige Balance.
Social Media ist kein Muss. Es ist ein Werkzeug. Ein Weg, nicht der Weg.
Wenn du gerne teilst, mach das. Wenn du lieber schreibst, dann schreib. Es ist okay, nicht alles mit der Welt zu teilen. Und es ist genauso okay, stolz auf dein
Selfie mit dem fertigen Manuskript zu sein.
Was zählt, ist Echtheit – nicht Perfektion.
Fazit: Zwischen WLAN und Waldrand
Ich sehe soziale Medien inzwischen wie ein Lagerfeuer. Mal wärmt es, mal flackert es gefährlich. Aber wenn man weiß, wie man damit umgeht, kann es ein wunderbarer Ort sein – für Geschichten, Begegnungen und kleine Magie.
Und falls du heute zwischen deinem Plotloch und dem nächsten Postingplan stehst: Atme durch. Schreib weiter. Und poste nur, wenn du willst. Nicht, weil du musst.